Nebenjobs der Abgeordneten


Von Cornelie Sonntag-Wolgast

Die kümmern sich ja gar nicht um unsere Probleme. Die wollen sich nur die eigene Tasche füllen.“ So der Vorwurf notorischer Politiknörgler gegen Bundestagsabgeordnete. Wie oft habe ich diese pauschale Verurteilung zurückgewiesen und den unermüdlichen und engagierten Einsatz vieler meiner Ex-KollegInnen geschildert! Und jetzt? Angesichts des skrupellosen Masken-Deals der Herren Nüßlein und Löbel bleiben mir die Argumente im Halse stecken.

Der Skandal lenkt zugleich den Blick generell auf Nebenverdienste von Mandatsträgern. Die Diäten von gut 10 000 Euro sind angemessen; ebenso die Pauschale für die absolut notwendigen Büros im Bundestag und im Wahlkreis, auch die Freikarte der Deutschen Bahn 1. Klasse innerhalb Deutschlands. Zusätzliche Einkünfte sind nach jetzigen Regeln meldepflichtig ab 1000 Euro im Monat bzw. 10 000 Euro im Jahr; verboten sind sie nicht. Voraussetzung sei, dass die Abgeordnetenarbeit im Mittelpunkt stehen muss. Windelweich formuliert…

Klar, der Einzug ins Parlament geht oft mit Risiken für den bisherigen Beruf einher. Nicht jede® hat eine Rückkehrmöglichkeit oder sogar ein Recht darauf, und es gibt ja auch ein Leben nach der Politik. Außerdem, so wird gern ins Feld geführt, kann es nützlich sein, den Bezug zur Arbeitswelt zu wahren. Dass jemand z.B. seine kleine Firma oder seinen Bauernhof erhalten will, kann man nachvollziehen. Jedoch: Für lukrative Beratungstätigkeit oder reichlich bezahlte Willfährigkeit gegenüber dem autoritären Regime von Aserbeidschan fehlt mir jedes Verständnis  Und dass von derzeit 709 Abgeordneten fast ein Drittel(!) durch Nebentätigkeiten dazuverdient (bei FDP, Union und AFD mehr als bei den übrigen Parteien), ist den Menschen kaum zu vermitteln und muss sich ändern.

In fast 18 Jahren Abgeordnetendasein habe ich mir nie vorstellen können, wie man einen zusätzlichen Job meistern sollte. In den Sitzungswochen jagen sich Arbeitsgruppen-, Fraktions-, Ausschuss-Sitzungen, interne Besprechungen, Anhörungen zu Gesetzesvorhaben, Redenschreiben und Plenumstage in dichter Folge. Die „sitzungsfreien“ Wochen gehören der Wahlkreisarbeit oder Auswärtsterminen, die Wochenenden Parteikontakten, Festen und Jubiläen. Präsenz ist erwünscht (so jedenfalls in normalen, Corona-freien Zeiten). Familien- und Privatleben kommen ohnehin bei vielen zu kurz. Klar, meine vier Jahre als Parlamentarische Staatssekretärin waren auch eine zusätzliche Aufgabe, doch dieses Amt ist in den Parlamentsablauf integriert und zur Entlastung der jeweiligen MinisterInnen eingerichtet, also Regierungshandeln.

Was also tun?

Früjahrsputz im Parlament – aber gründlich! Rigoroses Durchforsten der Regelungen tut not, soll das Ansehen der Volksvertreter nicht ins Bodenlose sinken. Nebentätigkeiten müssen konkret begründet und beschrieben, vom ersten Euro an gemeldet und nach oben gedeckelt werden. Bezahlte Nebenjobs zwecks Lobby-Kontakten gehören sich einfach nicht. Sitze in Aufsichts- und Verwaltungsräten sollten nur ehrenamtlich übernommen werden. Reden und Vorträge - bitte ja, aber ohne Honorar! So etwas geschieht im Rahmen der Parlamentsarbeit und ist mit den Diäten abgegolten. Sollten die Veranstalter trotzdem Geld dafür anbieten, gibt es genügend soziale und gemeinnützige Zwecke, für die man es spenden kann!

Eigentlich sollten solche Regelungen überflüssig sein. Alle MandatsträgerInnen sollten wissen, was Moral und Anstand gebieten. Jedoch:  Manche unserer MdB’S muss man wohl daran erinnern, welche große Ehre es ist, dem Parlament anzugehören; welche Chance, politische Ziele zu verwirklichen, Gesetzeslücken zu schließen, auf gesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren. Das alles sollte wie ein Schutzpanzer gegen die Einflüsterungen aus Wirtschafts- und Finanzkreisen, Interessenverbänden und Lobby-Gruppen wirken.

Skandale wie der Masken-Deal haben auch ihr Gutes. Parteien von der Bundesebene bis in die Ortsvereine herunter sind gefordert. Gerade in diesem Superwahljahr sollten sie über Rolle und  Verantwortungsbewusstsein von Abgeordneten nachdenken. Wer den Anforderungen nicht genügt, hat auf Kandidatenlisten nicht zu suchen. Sonst erleben wir einen Absturz bei der Wahlbeteiligung. Und dann ist die Demokratie wirklich in Gefahr.

 

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